Mi, 08.06.2022
THE SHIVAS
Support: LOVE'N'JOY
Einlass: 19:00 | VVK:14EUR | TICKETSmiley face | AK: 18 EUR
Gefördert von Neustart Kultur, Initiative Musik und der BKM

Die Covid-19-Pandemie hat das Leben aller Musiker:innen ordentlich umgekrempelt. Für The Shivas, die gerade einen neue LP veröffentlicht hatten und quasi ununterbrochen auf Tour fühlt es sich an, als würden plötzlich von hundert auf null runtergebremst werden. „Wir bereiteten uns gerade darauf vor, am SXSW zu spielen am folgenden Wochenende wäre dann das Treefort Festival in Boise, Idaho gewesen, dann wären wir als Support für eine befreundete Band mit auf Tour durch die USA gefahren und dann wären Konzerttermine in Europa angestanden“, erinnert sich Jared Molyneux. Dann war plötzlich alles einfach vorbei.

Und da standen sie vor den Trümmern eines fabelhaft geplanten und durchorchestrierten Jahres. „Wir wurden dazu gezwungen, uns anzupassen oder einfach aufzugeben,“, sagt Molyneux. „Die Realität sieht nun mal so aus, dass Liveshows unser Job sind.“

Um ehrlich zu sein, sind Shows nicht nur der Job der Shivas, sondern ihre größte Passion. Livekonzerte von The Shivas sind bombastische, explosive und durch und durch vereinende Rock‘n‘Roll Erlebnisse, bei denen sich alle Distanz zwischen Musikern und Publikum in Schweiß und Sound auflösen. Die Bühne oder der Keller, oder wenn es sein muss, auch das Wohnzimmer, das ist das wahre Element der Shivas. Es ist ihre Raison d’Être. Ihre Religion.
 
Dies Passion fürs Livegeschäft mag ihren Ursprung im Jahr 2006 gehabt haben, als die Band allesamt noch in der Schule Tour um Tour die Westküste hoch und runter buchten und ohne viel Tamtam auf dem Gehsteig oder Parkplatz vor dem Club herumlungerten, bis man sie auf die Bühne jagte, in Clubs, die sie alterstechnisch noch nicht einmal besuchen durften. Vielleicht kam es doch auch erst etwas später auf, als die Shivas sich ihren Weg durch Portlands geschichtsträchtige und unkontrollierte Houshowszene bahnten. Wo auch immer die Wurzel ihrer fantastischen Live-Erlebnisse liegt, es ist das Bühnenerlebnis, das sie immer und immer wieder haben wollen, auch nach über 1000 Liveshows in 25 Ländern verteilt auf die letzten 15 Jahre.
 
In diesen 15 Jahren sind die Shivas sehr eng als Band zusammengewachsen. Gitarrist/Sänger Jared Molyneux, Bassist Eric Shanafelt und Drummerin/Sängerin Kristin Leonard sind alle seit Anfang an mit dabei, der Gitarrist Jeff City, wieder ein alter Schulfreund, kam 2017 noch dazu. Zusammen haben sie gelernt, das schier Unmögliche möglich zu machen: Zusammen haben sie ihre Auftritte verfeinert, musikalisch an allen Stellschrauben gedreht und diese gestrafft, ohne dabei Authentizität oder das Überraschungsmoment einzubüßen, welches jede einzelne Show zu einer ganz besonderen macht. Trotz der Tatsache, dass sie den Großteil ihres Lebens auf Tour oder im Studio verbracht haben, sprechen sie über ihr Projekt voller Zurückhaltung und Bescheidenheit bewusst mit DIY-Formulierungen und in bester Pazifischer-Nord-West-Manier. Sie sprechen viel über ihre eigenen Lieblingsbands, versuchen so oft wie möglich Shows für ein Publikum jeden Alters zu spielen und bei jedem ihrer heiß geliebten Live-Auftritten bekommt man ein Gefühl von Arbeiter-Humanismus. „Wir wollen einfach nur das alle Leute glücklich sind“, sagt Molyneux, „Wir wollen sie vergessen lassen, dass sie morgen wieder zur Arbeit müssen.“ Kristin Leonhard ergänzt: „Bei Liveshows geht es um Befreiung von psychischen Konflikten und innerer Anspannung, sowohl in uns selbst als Musiker, als auch bei jeder und jedem einzelnen im Publikum. Wir erschaffen dabei diesen Safe-Space, indem wir uns alle mal so richtig fallen lassen können. Wo wir durchatmen können. Und das Gefühl, das man bekommt, wenn man merkt, dass man in der Lage ist diesen, Zustand zu erzeugen, ist einfach unbeschreiblich.

Als COVID auf den Plan trat, wusste die Band, es wird Zeit für eine Veränderung. Es war schnell klar, dass Livemusik in der nahen Zukunft eher nicht stattfinden würde, deswegen gingen die Shivas für eine sehr lange Zeit ins Studio mit Adam Spies, der auch schon ihre LP Dark Thoughts aus dem Jahr 2019 produziert hatte. Sie krempelten auch ihr Leben ein wenig um: Drei der vier Bandmitglieder fingen an, mit einem lokalen gemeinnützigen Verein zu arbeiten, die sich um die Obdachlosen der Stadt Portland kümmert. Sie waren involviert in Demos und Spendenkampagnen für soziale Gerechtigkeit. Sie lebten tatsächlich mal einen Sommer in Portland, der Stadt, die sie immer als ihr zu Hause bezeichneten, die sich aber manchmal eher, wie ein zufälliger Zwischenstopp zwischen zwei Touren anfühlte.

„Wir haben uns mehr auf unsere Community konzentriert“, sagt Leonard. „Das hat uns wieder neuen Mut. Es hat sich sehr gut angefühlt zu sehen, wie alle zusammen kamen und für die Sache, an die alle glaubten, gemeinsam zu kämpfen. Die letzten zwölf Monate haben uns definitiv verändert.“

Das in dieser Zeit entstandene Album zeigt die Shivas von einer neuen Seite, reifer und mit sich selbst im Reinen. Feels So Good/ Feels So Bad weist eine Art inhärenter Ruhe auf, die erfrischend und hoffnungsvoll zugleich ist. Ein bestimmtes albumprägendes Thema hatten The Shivas nicht im Kopf, als sie das Album schrieben und aufnahmen, doch irgendwie hat sich dann doch eine herauskristallisiert: Bei Dark Thoughts ging es mehr um das Exorzieren der eigenen Dämonen mit schonungsloser Selbstkonfrontation, Feels So Good/Feels So Bad kreist dann thematisch darum, was passiert, wenn man diese Aufgabe geschafft hat und endlich Frieden findet, darum wie eine aufrichtige Betrachtung des eigenen Selbst die persönlichen Beziehungen und Prioritäten verändert. „Ich glaube nicht, dass es um Akzeptanz geht,“ sag Leonard, „Man verspürt eine sonderbare Gelassenheit, wenn man seinen Frieden damit geschlossen hat, nicht alles kontrollieren kann oder alles in Zweifel ziehen zu müssen.

Vielleicht ist deshalb auch der kreischende Riff-beladene das Album eröffnende Trennungssong „Feels So Bad“ ein solcher Shock für das System. Er ist jedoch mehr ein Exorzismus als ein Melodrama, es geht mehr darum, dass man auf einmal nicht mehr das machen kann, was man so sehr liebt, in diesem Falle Live spielen als um die Trennung von einem Partner. „Es fühlt sich an, als würde ein Teil von dir ins Koma fallen,“, sagt Leonard.

Als Bandmitglieder, die sich in einer langjährigen Beziehung befinden, könnten, Molyneux und Leonard Angst davor bekommen, dass das Lied vielleicht zu tiefe Einblicke in ihr Privatleben gewährt, doch sind die Lieder von The Shivas selten autobiografisch. Leonard vergleicht das Vorgehen eher mit dem des Drehbuches schreiben. „Irgendwas Autobiografisches ist immer drin,“, sagt sie, „der gemeinsame Nenner ist jedoch die Erforschung universeller Gefühle solcher, die jede Person erlebt oder mit denen man sich universell identifizieren kann.“ Das Ziel muss sein, die Musik dafür zu nutzen, etwas Aufrichtiges und Wahrhaftiges zu finden, jenseits aller Genre oder stilistischer Gewogenheit. Das ist nun also der Punkt, an dem The Shivas angekommen sind.

Was auch immer zur Weiterentwicklung auf Feels So Good/Feels So Bad geführt hat, übrig bleibt auf jeden Fall eine große Menge Faszination. Sie verwandeln immer noch Liebeslieder in psychedelische, überweltliche Epen. „Tell Me That You Love Me“ zerrüttet doo-wop Extravaganz und suhlt sich in Flamenco-Rhythmen. „Rock Me Baby“ ist eine Bubblegum Hymne, die in so viel Hall getaucht ist, das man sie vielleicht nur noch auf den letzten Rängen im Stadion richtig zu hören bekommt. „Sometimes“ ist unverschämt großartig und kommt einem fast wie ein verzogener Ausschnitt aus der Musikgeschichte der USA vor. 

Die Lieder des Albums sind eine logische Erweiterung des Œuvres einer Band, die es schon immer vortrefflich verstanden hat, mit Elementen des Rock and Roll aus jeder Epoche herumzutüfteln und sie schlussendlich aus ihren Rahmen zu sprengen. Auf dem gewaltigen und schwermütigen Stück „You Wanna Be My Man“ einem langsam brennenden, sechsminütigen Shoegaze- Gebet, gerichtet an eine höhere Macht der Liebe, findet man einen Facettenreichtum emotionale Nuancen, die nach Revolution riechen. Dasselbe Gefühl findet man auch in der schlichten Verletzlichkeit der Elegie “Please Don‘t Go“, welche das große Finale des Albums einläutet. 

Feels So Good/ Feels So Bad dreht sich thematisch um Akzeptanz. Manchmal fühlt sich diese Akzeptanz erhebend und erleuchtend an, manchmal aber auch nur wie das Resultat eines Schreikrampfes. The Shivas haben sich in beiderlei Hinsicht angepasst. Mit neuen Tourdaten auf der Uhr und einem pressfrischen Album im Gepäck hoffen sie, so wie vermutlich alle von uns auf ein neues Zeitalter von lebendige, befreiender Livemusik Ekstase. Unterm Strich haben sie durch diese Kehrtwende in ihrem Leben nur vielerlei dazu gelernt und es hat ihnen geholfen, weiter zu wachsen.
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