19:40
THE MARY WALLOPERS
Um Folkmusik jedweder Art wirklich gerecht zu werden, bedarf es einer gewissen Respektlosigkeit. Ist die Delivery zu bieder, zu sehr an gängigen Konventionen orientiert, degradiert das selbst ein aufregendes Songwriting schnell zur belanglosen Geschichtsstunde. Zum Glück haben The Mary Wallopers das schon zu Beginn ihrer Karriere verstanden und handeln auf dem selbstbetitelten Debüt aus dem letzten Jahr ganz nach der Maxime: Regelbruch ist Aufbruch. Irische Traditionals kreuzt die Kapelle aus Dundalk deshalb spielerisch mit Punk-Allüren und sinnvollen Twists im Sounddesign, die den Balanceakt zwischen Gestern und Gegenwart grandios gelingen lassen. Aus zuverlässigen Quellen ist bereits bis nach Deutschland gedrungen, dass The Mary Wallopers das auch auf die Bühne bringen und dabei noch die eine oder andere Schüppe an Energie drauflegen. Wer einen Ausschnitt der Zukunft irischer Musikkultur erheischen will, sollte sich ihren Auftritt bei uns also nicht entgehen lassen.
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21:20
ENGLISH TEACHER
Wenn es um Themen geht, über die man genervt sein kann, haben English Teacher keinen Mangel zu verzeichnen – und wer könnte es ihnen verübeln? Der Vierer aus Leeds vereint auf der Debüt-EP „Polyawkward“ (2022) progressive Rhythmik mit Gitarren, die wie Motten durchs Laternenlicht der Postmoderne schwirren. Ummantelt von einem viszeralen Bassspiel, ist der kirre Sound von Songs wie „Mental Maths“ oder „A55“ deshalb bewusst zwiegespalten, zugleich verspielt und doch super präzise produziert. Eine Art rastloser Art Punk, der sich kaum zwischen Ängstlichkeit und Quirkyness entscheiden will, aber auch nicht muss. English Teacher stochern im Hinterstübchen des Zeitgeistes und begeben sich auf einen surrealen Selbstfindungstrip zwischen Supermärkten und Pubs, Lockdowns und Downloads, Hysterie und ansteckenden Hooks. Nichts steht hier, aber alles geht. So aufregend kann britischer Rock eben auch sein, wenn er sich konsequent weigert stillzusitzen.

23:00
MICHIGANDER
Der Hype um die Neunziger nimmt kein Ende, selbst über zwei Jahrzehnte später. Zurecht, wie es scheint. Auch James Christopher Monger wusste die Welle zu reiten: Mit der nostalgischen Wärme seiner Single „Nineties“ erreicht er 2016 ein Millionenpublikum und wurde als Michigander schlagartig berühmt. Der extrovertierte Singer-Songwriter schart eine Band um sich und geht auf Tour, spielt auf Bühnen, die auch von Ra Ra Riot, Tokyo Police Club oder dem Folkpop-Duo Twin Peaks beehrt werden. Offenherzig wie der Charme ihrer Songs, transportieren Michigander eine Liebe zur Musik, die ganz ohne marketingtechnisches Brimborium auskommt und dadurch ungemein authentisch wirkt - tatsächlich ja eine der frühen Tugenden im Indie-Pop. Schon bei Granden der 2000er wie Weezer wurde diese Unbedarftheit schnell zu einem Qualitätsmerkmal, wobei die Einflüsse von Michigander eher bei Coldplay, James Taylor oder den White Stripes zu suchen sind. Die kalifornische Sonnenscheinmentalität gibt es dann als Kirsche oben drauf, wie sie auch mit der neuen EP „It Will Never Be The Same“ wieder einmal mühelos beweisen. Wer das Trio aus Michigan mal live gesehen hat, weiß: Hier entsteht Musik für und von Musikliebhabern.
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00:30
GEESE
Ob relevant für Revivals oder die Gegenwart – es gibt kaum eine Band von Rang und Namen, mit der Geese in den letzten Jahren noch nicht in einem Satz genannt wurden. Ob Arctic Monkeys oder Black Midi, Deerhoof oder LCD Soundsystem, ob Squid oder Echo And The Bunnymen – der Sound des Debüts „Projector“ (2021) provoziert bis heute Assoziationen aus allen möglichen und unmöglichen Epochen, Hypes und Richtungen. Gleichzeitig gilt das Album als Meisterwerk des zeitgenössischen Art Punks, der sich hier bei Neo-Psychedelia, Indie, Math Rock und Dance-Elementen bedient. Ob diese Querverbindungen also mit der schieren Vielfalt des Geese-Songwritings zu tun haben? Wer weiß. Sicher ist nur: Nichts ist sicher. Das im Sommer dieses Jahres erscheinende zweite Album „3D Country“ verdeutlicht diesen eklektischen Approach wunderbar mit einem der besten Cover-Artworks des Jahres und beschreitet stilistisch mehrere neue Wege gleichzeitig. Klar wird aber auch, dass all die Vergleiche am Ende nur zu einem Ergebnis führen: Geese klingen wie Geese. Egal ob im Studio oder live auf der Bühne.
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